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Nichts für ungut, aber mittlerweile geht mir das Geheule rund um Amiga, Inc. und deren ach so furchtbares Management bzw. ihre angeblich so miserablen Leistungen gehörig auf den Keks. Ja, zugegeben, die Informationspolitik ist nicht gerade berauschend, die ExUp's von McEwen strotzen vor gezwungener Euphorie während Fakten Mangelware und die Formulierungen zu Mißverständnissen prädestiniert sind. Ich habe in letzter Zeit einen Haufen Kommentare von Usern zu diesem Thema gelesen, und fast durch die Bank hindurch wird Amiga, Inc. vorgeworfen, sie würden nichts, aber auch gar nichts hinbekommen. Das ist schlicht und einfach falsch! Da sei zunächst mal das AmigaDE/SDK inklusive des aktuellen Updates 1.1 genannt, welches ich (als Programmierer) für ein geniales Stück Software halte. Ferner die Ankündigung und Herstellung des AmigaOne (zwar durch eine Partnerfirma, aber das ist doch letzten Endes egal), die Kooperation mit SHARP und die Herstellung von Software für den Zaurus, eine ganze handvoll anderer Partnerschaften, u.a. mit H&P, die Entwicklung von SHEEP, die Entwicklung von OS 4.0 und, und, und. Für eine Firma, die noch vor etwa 19 Monaten im totalen Nirvana schwebte und Gefahr lief, für immer in der Versenkung zu verschwinden (die Home Electronics World anno 1999 in Köln war echt toll, stimmt's?) ist das eine beträchtliche Leistung.
Was manche User zu vergessen scheinen, ist, daß Amiga, Inc. eine winzige, kleine, fast unbedeutende Firma ist und bei weitem nicht über die Ressourcen (sowohl finanzielle als auch personelle) verfügt, um mal "gerade eben" in zwei oder drei Monaten ein brandneues Computersystem inklusive Hardware, OS und Softwarebundle (nach Möglichkeit 3D-Ballerspiele der neuesten Generation und ein Office-Paket a la M$) herzustellen. Von diesem Standpunkt aus gesehen halte ich die Aktivitäten von McEwen und Co. für sinnvoll und produktiv. Sie beschränken sich nicht (ausschließlich) auf ein Desktop-System, wie es wohl die meisten gerne hätten, sondern strecken die Fühler in alle interessanten Richtungen aus. Die Kooperation mit SHARP beispielsweise ist für viele "Ich will einen Desktop-Amiga"-User eine langweilige, unbedeutende Angelegenheit, Amiga, Inc. hat dadurch aber einen Kunden, der Geld in die Kassen spült, und eine Publicity, die im Endeffekt auch andere Firmen auf die Leute in Snoqualmie aufmerksam macht. Amiga ist wieder in den Schlagzeilen, und nach langen Jahren endlich mal mit echten Produkten und nicht nur mit Seifenblasen und Luftschlössern.
In letzter Konsequenz, erdreiste ich mich jetzt einfach mal zu behaupten, leidet die Amiga-Gemeinde nicht zentral an der schlechten Informationspolitik oder Unfähigkeit seitens Amiga, Inc., sondern an zwei ganz anderen Krankheiten. Erstens mal: Egal, was aus Snoqualmie für Ankündigungen kommen, sie werden grundsätzlich von Heerscharen von Usern in "Unendlichkeits-Threads" in der Luft zerrissen und als totaler Quatsch abgestempelt. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde gezetert und geflucht, man möge doch bitte einen PPC-Amiga mit PPC-nativem AmigaOS rausbringen. Nun passiert genau das und plötzlich heißt es, daß PPC völliger Unsinn sei und man sich doch besser auf x86 konzentrieren sollte. Vor nicht allzu langer Zeit wurde gefordert, Amiga, Inc. solle endlich mit der Tradition der 68x-Rechner ("Classic"-Amigas) brechen und eine völlig neue Technologie auf den Markt bringen. Nun passiert genau das, und wieder geht das Geschrei los, daß man doch bitteschön die Abwärtskompatibilität wahren solle, und überhaupt, die aktuellen PPC-Boards von anno dunnemals müßten auch unterstützt werden. Ich glaube, selbst wenn McEwen in einem ExUp behaupten würde, die Erde sei rund, gäbe es noch ausreichend Leute, die das als Unsinn verschreien würden. Jeder meint, er habe viel bessere und produktivere Ideen als Amiga, Inc., jeder denkt, er wüßte den ultimativen Weg zur Rettung des Amigas. Und damit kommen wir dann auch zur zweiten Krankheit im Amiga-Lager: Es gibt überhaupt keine Einheit mehr! Jeder kocht sein eigenes Süppchen, jeder bastelt seinen eigenen Zukunfts-Amiga, jeder programmiert sein eigenes Next-Generation-AmigaOS. Und um das Theater vollständig zu machen, wird gleichzeitig auch noch lauthals geschrien und protestiert, daß es zu viele Einzelprojekte im Amiga-Sektor gibt. Ja, es wird sogar Amiga, Inc. selbst vorgeworfen, sie würden zu viel auf einmal machen wollen.
Fakt ist und bleibt aber: Amiga, Inc. braucht Geld. Und Geld verdient man mit Produkten. Diese sind in Arbeit oder schon auf dem Markt. Wer nun meint, er müsse es "denen da" in Snoqualmie "zeigen" und den AmigaOne oder sonst was boykottieren, der soll es eben tun und sich glücklich fühlen. Wer mit den Plänen von Amiga, Inc. nicht zufrieden ist, der hat genügend Alternativen im EDV-Bereich. Den Next-Generation-Amiga wird es geben, soviel ist schon mal sicher. Und es mag zwar schnippisch klingen, aber bei einer potentiellen Abnehmerschaft für den AmigaOne (d.h. bei einem potentiellen Kundenstamm) wie der momentanen Amiga-Community tut Amiga, Inc. wirklich mehr als gut daran, ihre Existenz und finanzielle Sicherheit nicht allein an diese zu hängen. Ich habe schon mehr als ein halbes Dutzend mal den Satz gelesen: "Amiga, Inc. soll sich mehr um uns kümmern, wir sind schließlich die Käufer des AmigaOne". Tatsache ist aber: Egal, was Amiga, Inc. machen würde, ob PPC- oder x86-OS, ob nativ oder plattformübergreifend, ob AmigaOS4/5+DE oder DE-only, die Amiga-Userschaft würde sich weiterhin in unzählige Lager teilen und jeweils die Hard- und Software fordern, die konträr zu den Plänen aus Snoqualmie stehen würde.
Letzten Endes finde ich es irgendwie lächerlich, daß in der Amiga-Gemeinde mittlerweile eine ganze Reihe von Leuten zu denken scheint, in ihnen schlummere ein kleiner Betriebswirtschaftler und Firmenmanager und sie würden ja so viel besser wissen, wie man den Amiga an die Weltspitze der EDV-Welt bringen könnte (ob er jemals dorthin kommen wird, sei mal dahingestellt). Sicher ist aber folgendes: Weder Fleecy noch McEwen noch sonst wer bei Amiga, Inc. machen ihre Arbeit aus purer Menschenfreundlichkeit oder aus einer fanatisch-religiös anmutenden Begeisterung für den Amiga, sie wollen Geld damit verdienen. Auch opfern sie nicht hin und wieder mal ein paar Stunden ihrer Freizeit, um am DE oder an sonstigen Plänen herumzufeilen, sie machen es hauptberuflich. Damit ist schon mal gesichert, daß sie ein echtes Interesse an der Weiterentwicklung und Vermarktung dieser Maschine haben (ganz im Gegensatz zu Gateway & Co., die ein festes Standbein im PC-Markt hatten und daher in keinster Weise auf den Erfolg von Amiga angewiesen waren!), ebenso auch an einer Vergrößerung des Kundenstammes. Manch einer nennt das "Community" oder "Amiga-Family", aber meiner persönlichen Meinung nach gehören diese Begriffe langsam in die Mottenkiste. Denn "Amiga-Spirit" hin oder her, Amiga, Inc. braucht keine "Community" sondern Kunden. Ein Herr X oder eine Frau Y, die irgendwo mit ihrem Zaurus PDA herumsitzen und die von Amiga, Inc. hergestellte Software benutzen, werden sich ganz bestimmt nicht als "Amiga-Freaks" oder Mitglieder der "Community" bezeichnen, aber es sind Kunden, die Amiga, Inc. Geld bringen.
Damit will ich dieses Statement auch abschließen. Ich bin mir sicher, daß so manch einer mit meinen Aussagen nicht einverstanden sein wird. In diesem Zusammenhang will ich klarstellen, daß ich hier nicht noch eine von diesen unsäglichen Endlos-Diskussionen vom Zaun brechen will. Es war mir ein Bedürfnis, einfach mal einen Kommentar zu den mittlerweile überhand zu nehmen scheinenden Unkenrufen im Bezug auf Amiga, Inc. zu verfassen. Ich persönlich bin der Meinung, daß jeder, der ein echtes Interesse an Amiga hat, einfach mal abwarten und der Dinge harren sollte, die da noch kommen werden. Mit Boykottierungen und Protestwellen gegen jede noch so kleine Idee aus Snoqualmie wird Amiga auf jeden Fall und ganz bestimmt nicht sehr weit kommen. Einmal abgesehen davon, daß sich die restliche EDV-Welt über uns schlapp lacht.....
In diesem Sinne,
Marco Miljak <marco.miljak@it-m.de>
[Anm. d. leit. Red.: Vielen Dank, Marco, für deinen ausführlichen Leserbrief! Ich möchte kurz etwas anmerken: AMIGAs Zukunftskonzept(?) ist die eine Sache - darüber lässt sich, wie du selbst schreibst, heftig diskutieren. Ich selbst habe den vor einigen Monaten eingeschlagenen Weg mehrfach kritisiert, und zwar nicht, weil ich nichts anderes zu tun hätte, sondern weil ich ihn schlichtweg für falsch halte und die Erfolgswahrscheinlichkeit dieses Konzepts als sehr niedrig erachte (beispielsweise im Gegensatz zu der vorher verfolgten "reinen" AmigaDE- Strategie). Jedoch maße ich mir auf der anderen Seite nicht an, zu behaupten, dass ich mit dieser Einschätzung zu hundertprozentiger Sicherheit richtig liegen werde - auch ich kann mich mal irren. Das aber nur am Rande. Grund meiner Anmerkung ist es, eines deutlich zu machen: Für mich persönlich hat es den Anschein, dass viele Anwender auch deshalb - untertrieben formuliert - nicht gut auf AMIGA, Inc. zu sprechen sind, weil sie den Eindruck haben, dass sie vom Management nicht ernst genommen werden:
1. Wenn ein neu gegründetes Unternehmen anfangs Fehler auf diesem in der Tat schwierigen Gebiet macht, ist das in den Medien kaum eine Erwähnung wert.
2. Wenn die Firma nach mehr als einem Jahr immer noch dieselben gravierenden Fehler macht, dann braucht sich deren Führung jedoch nicht darüber zu wundern, wenn sie dafür in der Öffentlichkeit massiv kritisiert wird.
3. Wenn das Unternehmen auf diese Kritik nicht nur nicht im positiven Sinne reagiert, sondern die Öffentlichkeit sogar den Eindruck gewinnt, dass die Kommunikationspolitik eher noch schlechter wird, dann erkennt die Führung diese Kritik entweder nicht oder sie ist ihr egal. Beides jedoch zeugt von extremer Unprofessionalität, ganz davon zu schweigen, dass sich AMIGA, Inc. mit diesem Verhalten im Endeffekt selbst schadet.]